Betroffene erzählen
Interviews aus einer wissenschaftlichen Studie
Die nachfolgenden Auszüge aus Berichten stammen nicht von Frauen aus dem Frauenhaus Villach, sondern sind Interviews mit von Gewalt betroffenen Frauen im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie. Auch wenn Gewalt in der Familie meist ohnehin nicht von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, möchten wir doch die von uns betreuten Frauen so weit wie möglich schützen und ihnen Anonymität gewähren!
Der Grund, warum wir hier überhaupt Einblick in das Leiden der Frauen geben ist, um Betroffenen aufzuzeigen, wie vielschichtig das Tabuthema Gewalt in der Familie ist und dass auch ihnen der Weg in das Frauenhaus helfen kann. Wir wollen aber auch das Thema enttabuisieren, der Gesellschaft zeigen, dass es das Problem gibt – und zwar häufiger, als es sich die meisten vorstellen können!
Er ist sehr eifersüchtig gewesen. Auf mein vorheriges Leben, wo noch nicht mit ihm zusammen war. Er wollte immer wissen, wo ich gewesen bin. Welche Freunde ich gehabt habe. Wie lange ich mit welchem gegangen bin. Was habe ich alles mit dem gemacht habe.
Wie ich mit der Schule fertig war, eine Lehre angefangen habe, wollte er immer, dass ich mit ihm Mittag mache. Von nun an musst du immer um elf Uhr Mittag machen. Wenn nicht, kannst du deinem Chef sagen, du müsstest kündigen! Und wenn ich nicht käme, würde er kündigen!
Er hat gesagt, dass es gar nicht so schlimm gewesen sei und ich das nur hochgeschraubt hätte. Ich würde nur Theater spielen und übertreiben. Hysterisch wäre ich, gestört halt!
Dann ist er vor dem Fernseher gehockt und wenn ich etwas sagen wollte, dann hat er gesagt: Ich schaue jetzt fern. Reden wollte er nie mit mir, nie. Ich muss es dann für mich behalten. Er sagt mir dann gar nichts, er hört nicht zu. Ja, ja, erzähl nur! Und so sollte ich mit ihm reden können?!
Ich habe einmal probiert, als er mich an den Haaren gepackt hat und über eine Sofalehne hinabgeschlagen hat. Ich habe reflexartig eine Colaflasche, die ich neben mir gehabt habe, genommen, habe sie hochgehalten und in diesen Moment ist er schon gekommen. Also ich hätte sie ihm, ich bin überzeugt, ich hätte sie ihm über den Kopf geschlagen, aber ich konnte gar nicht. Er ist dann schon da gewesen. Er hat mich dann einfach gepackt und hat mich so lange zusammen-geschlagen, bis ich eigentlich gar nicht mehr aufstehen konnte und nicht mehr gehen. Und hat mich dann so liegen gelassen. Dann ist er eines saufen gegangen, einfach eins, zwei, drei!
Er ist dann zu mir gekommen und hat gemeint, ich solle mich endlich mal wie eine Frau benehmen. Und er hätte jetzt Lust. Und ich habe gesagt, wie könnte ich jetzt Lust haben, wenn er mich erst zusammenscheisst und mich fertig macht und nachher solle ich noch sagen, hey, ich mag dich und komm zu mir. Dann ist er so verrückt geworden, er hat sich auf mich drauf gesetzt und mich an der Gurgel gepackt, ich habe keine Luft mehr gekriegt. Und hat gemeint: Siehst du Alte, so schnell kann es gehen. Du hast überhaupt keine Chance. Wenn ich will, ist es aus. Und da habe ich genau gewusst, der wartet jetzt drauf, dass ich sage… okay, ich mache was du willst!
Der hat dann einfach nur das Kind geschnappt und nach hinten, fertig. Und ich bin daneben gehockt wie so, ja, ich habe gezittert am ganzen Körper und habe mich nicht einmal getraut, meinen eigenen Sohn zu verteidigen. Einfach aus eigener Angst. Und ich habe mich so in den Bub hineinversetzen können. Und ich weiss nicht, ich, mir war das dann so unheimlich weil, wenn man mit zwei Jahren schon so was erleben muss. Ein Schock fürs Leben. Und dann habe ich angefangen zu überlegen, was ich mache. Und dann nachher die Drohung, dass er mich umbringen würde. Das hat alles zusammengepasst. Ich habe dann in der nächsten Woche einfach automatisch meine Kleider alle zurecht gemacht und so. Im Unterbewusstsein habe ich gewusst, ich gehe in nächster Zeit!
Am liebsten würdest du Schlussmachen, mit dem Leben. Es hat manchmal so Zeiten gegeben, wo ich fast herumgeirrt bin. Einfach an einem Ort durchgegangen und habe gedacht, was mache ich jetzt? Und dann habe ich gedacht, nein, das machst du nicht. Den Kindern zuliebe nicht. Und ich, und so schlecht bin ich nicht, dass ich von dieser Welt muss.
Frauenhaus, das ist die Lösung. Die Rettung für mich. So habe ich mir das vorgestellt. Die große Rettung, das habe ich, also das habe ich in dem Moment empfunden und habe gespürt, wie der Stein runter ist. Ich habe mich ein Stück erleichtert gefühlt!
Und es ist einfach auch einmal über etwas anderes gesprochen worden, nicht nur immer über die Probleme. Gerade zum Beispiel die Ehrenamtlichen, die da waren. Die haben auch oft irgendwie was anderes gesprochen, dann hat man auch mitgeschwatzt…